Der erste Schritt zu diesem besonderen Musical war eigentlich gar kein Schritt, sondern ein Blick. Es war der Blick des Intendanten Matthias Riedel-Rüppel aus dem Fenster seines Büros beim Kleinen Theater in Haar: „Immer wieder blickte ich auf die gleichen Gebäude dieses geschichtsträchtigen Areals, zu dem auch das Theater gehört. Mein Blick geht aus dem Fenster direkt hinüber auf den ehemaligen Kindergarten und ein bisschen weiter auf die sogenannten Hungerhäuser.“
Die tragische NS-Geschichte der Nervenheilanstalt in Haar
Mit dem sogenannten T4-Erlass aus dem Jahr 1939, der verfügte, dass alles lebensunwerte Leben vernichtet werden soll, begann auch in der Oberbayerischen Kreis-Heil- und Pflegeanstalt eine dramatische und grausame Zeit. Über 2000 Menschen wurden von hier aus direkt in die NS-Tötungsanstalten Grafeneck und Hartheim transportiert, über 300 Kinder mittels Überdosis getötet und vermutlich über 400 Patienten starben in den Hungerhäusern an den Folgen der systematisch unzureichenden Kost.
„Man kann beinahe nicht hinausschauen, ohne die dramatische Geschichte dieser Gebäude zu Zeiten des Dritten Reiches im Kopf zu haben und immer wieder dachte ich mir, „Diese Geschichte“ muss erzählt werden!““ berichtet Matthias Riedel-Rüppel, der sich selber eher als Kulturermöglicher sieht, weniger als Intendant.
Aus Historie wird die Geschichte „Villa Haar“
Es war Schicksalsfügung, dass er und der Komponist Thomas Erich Killinger sich kennen lernten, denn das gegenseitige Verständnis und die Sympathie der beiden waren von Anfang an so groß, dass ein gemeinsames Projekt her „musste“. Das war die Geburtsstunde für „VILLA HAAR – Das Musical“, das am 18. Januar 2024 Premiere feiern wird.
Thomas Erich Killinger gestand einmal, dass die Idee von Matthias Riedel-Rüppel, die düstere Geschichte Nervenheilanstalt Eglfing-Haar zu erzählen und so auch aufzuarbeiten ihm im ersten Moment beinahe zu „fertig“ erschien. Aber schon auf der Heimfahrt, nach dem ersten Gespräch kamen ihm erste Ideen zur erzählerischen Umsetzung.
Das sehr Besondere an „VILLA HAAR“ ist nicht nur die unmittelbare Nähe zum Ort des Geschehens, sondern auch das Genre an sich. Noch nie wurden Vorkommnisse aus der dunkeln Zeit des NS-Regimes als Musical vertont. Und alle Beteiligten waren sich von Anfang an einig, dass der Stoff für dieses Genre heikel ist. Was entstand ist mutig, aber vor allem auch mutmachend.
Das Miteinander während der damaligen Zeit wird erlebbar
Schließlich sind Figuren, Dramaturgien und vor allem Melodien entstanden, die den Zuschauer hineinziehen in die Geschichte. Das Leben der Menschen untereinander und miteinander in einer Zeit, in der die Menschen der Situation des dritten Reiches unterworfen sind, wird emotional erlebbar.
Mit den jungen Protagonisten, der 13-jährigen Emma von Harmsdorf und dem 18-jährigen Falk von Blumberg bekommt auch das Prinzip Hoffnung einen Namen. Die Liebe zwischen den zwei jungen Menschen zieht sich wie ein Band der Zuversicht durch das Stück: Hoffnung auf das Weiterleben, auf ein Morgen!
„Es ist ein großes Thema und ein großes Projekt – eigentlich zu groß für ein Theater der Größe des „Kleinen Theater Haar“,“ gesteht Matthias Riedel-Rüppel. „Umso dankbarer sind wir für jedwede Unterstützung, wie auch die der Stiftung der Kreissparkasse, die unsere Idee großzügig mit 15.000 Euro mitträgt. Ohne diesen Support kämen solche Projekte nie auf die Bühne.“ Und noch ist das Projekt nicht voll finanziert – das gesamte Theater-Team freut sich daher über jeden finanziellen Beitrag, egal ob groß oder klein.
Inzwischen laufen die Proben vor Ort mit dem gesamten Ensemble und nichts an diesem Projekt wird dem Zufall überlassen. Auch der Tag der Premiere am 18. Januar 2024 ist bewusst gewählt: exakt 84 Jahre nach der ersten Deportation aus Haar in eine der Tötungsanstalten.
Im Anschluss an die Uraufführung ist das Stück noch einige Male in Haar zu sehen, bevor es dann auf kleine Deutschlandtour geht.
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