Ein hochaktueller Vortragsabend in der Kreissparkasse mit Prof. Dr. Stephan Bierling (m.). Links Andrea Felsner-Peifer und rechts Andreas Frühschütz aus dem Vorstand der Kreissparkasse

„Wir leben in einer Achsenzeit – weltpolitische Entwicklungen, die ansonsten Jahrzehnte in Anspruch genommen hätten, finden gerade verdichtet und beschleunigt innerhalb weniger Jahre statt. Die Ordnung, die wir Staaten des globalen Westens aufgebaut haben, steht zur Disposition. Russland und China wollen diese Ordnung zerstören und ihre eigenen Interessen durchsetzen.“ Deutliche Einstiegsworte, die Prof. Dr. Stephan Bierling anlässlich seines hochspannenden Vortrags zur geopolitischen Situation und aktuellen Krisenherden wie dem Ukraine-Krieg fand.

Die Kreissparkasse hatte den renommierten Professor für Internationale Politik an der Universität Regensburg anlässlich einer Veranstaltung für unternehmerische Kunden – das S-Unternehmerforum – eingeladen. Zu Beginn des Abends begrüßte Gastgeberin Andrea Felsner-Peifer, Vorstandsmitglied der Kreissparkasse, die Anwesenden in der Kundenhalle der Hauptstelle am Sendlinger Tor sehr herzlich, ebenso anwesend war der Vorstandsvorsitzende Andreas Frühschütz.

Zahlreiche Herausforderungen für Unternehmen

Felsner-Peifer, seit 1. April 2023 verantwortliches Vorstandsmitglied für die unternehmerischen Segmente sowie das Private Banking, zeigte sich erfreut über den voll besetzten Saal und betonte: „Die Kreissparkasse hat eine lange Tradition in der Region und pflegt enge Beziehungen zu Unternehmerinnen und Unternehmern. Unser heutiges und seit vielen Jahren erfolgreich etabliertes Unternehmerforum ist eine hervorragende Plattform, um diese Partnerschaft mit Ihnen zu vertiefen.“

Gerade in wirtschaftlich herausfordernden und politischen unsicheren Zeiten sei der persönliche Austausch wichtig, so Felsner-Peifer weiter. Und die vergangenen Jahre könnten Rückblickend als von Krisen geprägt umschrieben werden: Von den Nachwirkungen der Pandemie bis zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der damit befeuerten Preisentwicklung, wiederkehrenden Lieferkettenproblemen und nie gekannter Sorge um das Thema Energie – flankiert von weiteren Problemen wie Fachkräftemangel und Cyberkriminalität. Und nun tue sich mit dem Krieg im nahen Osten ein neuer Konflikt mit globaler Reichweite auf.

Zurückhaltende Investitionen auch bei den Kunden der Kreissparkasse

Hinzu kämen die wirtschaftlichen Folgen der Zinswende. Der bundesweit verzeichnete Rückgang bei Investitionen sei auch im Kreditgeschäft der Kreissparkasse spürbar, so Felsner-Peifer weiter. „Viele Unternehmen haben bereits in Corona-Zeiten ihre Finanzierungsvorhaben zurückgestellt oder gar vollständig verworfen, jetzt hat sich dies nochmals verschärft.“

Gleichzeitig sei seit Anfang des Jahres unter Banken ein spürbarer Wettbewerb um die Kundeneinlagen entbrannt. Felsner-Peifer betonte dazu: „Wir haben für jede Laufzeit die passende Produktlösung im Angebot und setzen auf eine individuelle und auch langfristig an Ihren Bedürfnissen ausgerichtete Beratung“, so die Vorständin. Und sie fügte an: „Auch in dynamischen Zeiten wie diesen stehen wir für Stabilität und unser Ziel bleibt es, unseren unternehmerischen Kunden ein verlässlicher Partner zu sein.“

Ein Beispiel seien Investitionen in Gebäude zur Verbesserung der Energieeffizienz oder regenerativen Energieversorgung. Denn die richtige Energieversorgung sei eine der Fragen, die sich seit Beginn des russischen Angriffskrieges stellten.

Der russische Angriffskrieg und seine Folgen

Der russische Überfall auf die Ukraine und die Folgen für den Westen standen im Mittelpunkt des Vortrags von Professor Bierling, der sich insbesondere auf amerikanische Politik, die atlantischen Beziehungen sowie globale Ordnungs- und Sicherheitsfragen spezialisiert hat und Autor mehrerer erfolgreicher Publikationen ist.

Als Schlüsselfragen für unsere Gesellschaft und unternehmerische Entscheidungen analysierte er in seinem Vortrag unter anderem die Gründe für den Überfall Russlands auf seinen Nachbarn, die Rolle des Westens und Deutschlands in diesem Krieg sowie dessen Folgen.

„Russlands Überfall auf die Ukraine beendet die Zwischenkriegszeit in Europa. Das neue Zeitalter gründet auf militärischer Rivalität, wirtschaftlicher Entkoppelung und weltanschaulicher Feindschaft“, so Bierling. Putin wolle den Zerfall des russischen Imperiums durch Nationenbildung ehemaliger Sowjet-Staaten aufhalten und agiere aus Angst vor weiterem internationalen Machtverlust.

Gleichzeitig habe Deutschland mit seiner Russland-unkritischen Wirtschafts- und Außenpolitik wesentlich dazu beigetragen, dass Russland den Krieg beginnen konnte. Und Deutschland finanziere ihn weiterhin mit, auch aufgrund der fortbestehenden Abhängigkeit von russischen Energieimporten.

Trotz hunderttausenden Verwundeten und Toten, 7 Millionen Flüchtlingen im Ausland und ebenso vielen im Inland, dauerhaft unbewohnbarer Gebiete und Städte in der Ukraine sowie geschätzten Aufbaukosten von 750 Milliarden Euro sei Putin seinem Ziel jedoch nicht näher gekommen. Im Gegenteil: Strategisch sei der Krieg für Russland verloren, der Staat ökonomisch ruiniert und zunehmend abhängig von China, politisch isoliert und moralisch diskreditiert.

Unternehmerforum 2023

Die Perspektive – und wofür es sich auch für den Westen lohnt, einzustehen

Gleichzeitig stehe der Westen zusammen und – ein entscheidender Grund für den bisherigen Kriegsverlauf – die Ukraine habe zu einer starken nationalen Identität und einem ungebrochenen Willen gefunden, der russischen Übermacht die Stirn zu bieten.

Wie der Krieg letztendlich ausgehe, dazu gebe es jedoch verschiedene Szenarien. Am wahrscheinlichsten sei ein langer Abnutzungskrieg an dessen Ende derjenige als Sieger hervorgehe, der den längeren Atem hätte: der Westen als wichtiger Unterstützer des ukrainischen Volks mit Waffen, Wissen und Wirtschaftsgütern oder Russland mit China im Rücken.

Durchaus aufrüttelnd formulierte Professor Bierling deshalb auch sein Schlusswort: „Russland und China wollen die Ordnung der Welt zerstören, die sie als existierende Gefahr begreifen: Mündige Bürger, demokratische Wahlen und eine internationale Ordnung, in der nicht die Macht der Gewalt gilt sondern die Macht des Rechts. Für diese Ordnung lohnt es sich durchzuhalten! Damit auch unsere Kinder noch von all dem profitieren können, was wir in unseren Gesellschaften die vergangenen Jahrzehnte über aufgebaut haben.“

Die Aufmerksamkeit und das hohe Interesse der Zuhörenden spiegelte sich in vielen, teilweise auch kontroversen Fragen, die an den Vortrag anschlossen und in eine angeregte Diskussion beim abschließenden Get-Together mündeten.