Unsere Gesellschaft wird älter und damit auch betreuungsintensiver. Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zur Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in Deutschland zeigen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen 2021 deutschlandweit bereits auf rund 4,9 Millionen Menschen angestiegen war. Deutlich mehr als doppelt so viele Menschen wie noch zu Beginn des Jahrtausends.

Umso wichtiger ist es, zu wissen, welche Maßnahmen sich die Menschen im Falle eines Falles wünschen. „Leider ist es noch zu wenig populär, eine Patientenverfügung zu verfassen, so lange alles gut ist“, sagt Johanna Hagn, Vorständin der ARGE Hospiz München-Land. Sie erlebt es allzu oft, dass vom Hospiz betreute Patienten keinerlei entsprechende Vorsorgen getroffen haben und mit der Situation nun überfordert sind.

Ziel einer Patientenverfügung ist es, dass Patienten im Notfall oder schweren Krankheitsfall so behandelt werden, wie sie es sich wünschen, auch wenn sie nicht mehr selber entscheiden können. Um da ganz sicher zu gehen, wurde ACP entwickelt – „Behandlung im Voraus planen“. Diese Vorsorgedokumentationen werden im Rahmen eines prozesshaften, sehr individuellen Gespräches erstellt.

16 Hospizkreise des Landkreises München haben sich gemeinsam mit dem Neurologen und Palliativmediziner Dr. Dr. Berend Feddersen von der Universität München zu einem Pilotprojekt zusammengefunden. Ziel ist es, aus jedem Hospizkreis einer Person aus der Hospizbegleitung die Advance Care Planning-Zertifizierung, kurz ACP, zu ermöglichen – und das vor allem niederschwellig, also ohne akademische Berufsausbildungen als Voraussetzung.

Advance Care Planning (ACP) dient dem Willen der Patienten

Das Advance Care Planning wurde in den 1990er Jahren entwickelt. Die Ausbildung lehrt, im Rahmen eines Gesprächsprozess den Patientenwillen zu klären und festzuhalten.

„Das Besondere ist, dass der Prozess vollends auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der vorausplanenden Personen, also der Patienten, ausgerichtet ist. Der gesamte Gesprächsprozess beinhaltet entsprechend in der Regel mindestens zwei Termine mit Gesprächen von 1-2 Stunden. Außerdem wird angestrebt, dass sowohl (Haus-)Arzt oder Ärztin als auch Angehörige oder die rechtlichen Vertreter daran teilnehmen“ erläutert Johanna Hagn und ergänzt: „Es ist wichtig, dass sich alle wahrgenommen und gut aufgehoben fühlen.“ Selbst wenn Patienten aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr selbst entscheiden können, werden sie so viel wie möglich aktiv, achtsam und respektvoll in die Gespräche einbezogen, um herauszufinden, was der Wunsch der Patienten ist.

Fundierte und menschliche Beratung durch die ambulanten Hospizkreise

„Die Patienten erfahren im Rahmen der Beratungen außerdem viel über mögliche palliative Hilfen bei einer schweren Erkrankung. Das lindert Ängste, beruhigt und stärkt die Zuversicht der Menschen, was enorm wertvoll ist“, berichtet Johanna Hagn.

Derzeit darf die Ausbildung nur machen, wer zuvor einen Abschluss als Pflegefachkraft, Mediziner oder Medizinerin oder einen Abschluss in Gesundheit-, Geistes-, Erziehungs- oder Sozialwissenschaft hat. Daher kann ACP für gesetzlich Versicherte bisher nur in vollstationären Pflegeeinrichtungen sowie in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung angeboten werden.

„Diese Hürden brechen wir auf. Unser Pilotprojekt soll Hospizbegleitern und -begleiterinnen die Ausbildung auch dann ermöglichen, wenn sie keine der genannten Berufsausbildungen mitbringen. Wir wollen damit das Angebot der ambulanten Hospizversorgung erweitern. Ganz konkret bedeutet das für uns, dass wir anschließend, dank der zertifizierter Begleiterinnen und Begleiter in jedem Hospizkreis, allen Landkreisbürgern diese Vorsorgeplanung anbieten können“, erklärt Johanna Hagn weiter.

Thorsten Rohmer, Leiter des Bereichs Privatkunden und Mitglied im Vorstand der Stiftung der Kreissparkasse für den Landkreis München, kennt das heikle Thema im Zusammenhang mit der Beratung zur Altersvorsorge: „Wir haben unter unseren Kunden viele ältere Menschen und unsere Beraterinnen und Berater spiegeln mir regelmäßig, wie wichtig dieses Thema ist. Die Kolleginnen und Kollegen geben daher im Rahmen der finanziellen Vorsorge auch immer wieder den dringenden Tipp, sich frühzeitig um Dinge wie Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung zu kümmern. Schließlich sollte der Wille der Patienten hier immer maßgeblich sein. Es ist daher immens wichtig und hilfreich, dass es eine derartige Beratung gibt. Wie schön, dass wir dieses sinnvolle Projekt über unsere Stiftung finanziell unterstützen können.“

Die Hospizkreise arbeiten ausschließlich ehrenamtlich und das Projekt finanziert sich rein über Spenden, denn die intensiven ACP-Beratungen sollen schwerstkranken Patientinnen und Patienten auch unentgeltlich angeboten werden.

Die Gesamtkosten für das Projekt liegen bei knapp 30.000 Euro. Die Stiftung der Kreissparkasse für den Landkreis München hat 9.500 Euro gespendet.