Lange Zeit wurde kaum über sie gesprochen – die Opfer der Euthanasie, der „Selektionsmaßnahmen der Nazi-Zeit“. Es ist ein düsteres Thema, eines, das man gerne ungeschehen machen möchte und über das man vielleicht daher auch nicht gerne spricht. Aufarbeitung und Aufklärung aber sehen anders aus und sind so wichtig. Heute vielleicht wichtiger denn je. Das schulartübergreifende Projekt „Spurensuche“ zeigt, wie das gehen kann.

Vergangenheit und was man daraus macht


Den Start machten 35 Schülerinnen und Schüler des Ernst-Mach-Gymnasiums und der Mittelschule Haar (bei München) die mit Schuljahresbeginn 2015/16 die Geschichte der Psychiatrie ihrer Heimatregion im Rahmen der gemeinsamen Projektarbeit sehr intensiv aufgearbeitet haben. Die Spuren der Euthanasie aufzudecken, gleichsam in der Gegenwart zu erkennen und daraus letztlich auch das eigene Verhalten in der Welt zu reflektieren sind die Ziele der Idee.

Mehr als 80 Jahre sind seit dem Beginn eines hunderttausendfachen Mordens vergangen. Zwischen 1939 und 1945 starben allein in der damaligen Psychiatrischen Anstalt Eglfing-Haar etwa 2000 Patienten an Unterernährung, 332 Kinder wurden gezielt getötet, mehr als 2000 in Tötungsanstalten geschickt. Aus Recherchen, Zeitzeugengesprächen und der Beschäftigung mit den eigenen Familiengeschichten ist über die Projektarbeit der Schüler ein theatrales Gedenken an die Opfer der Euthanasie-Verbrechen entstanden.

Was für ein Mensch willst Du sein?


Das Theaterstück nimmt die Zuschauer mit auf eine emotionale Reise: sie werden zu Teilnehmern, sind mitten im Geschehen. Überrascht, schockiert und beklommen durchleben die Anwesenden Situationen aus wechselnden Perspektiven. Die Handlung des Stückes konfrontiert sie mit dem was passiert, wenn Menschen nach Normen bewertet und sortiert werden. Eine Parallele zur nationalsozialistischen Selektion von „lebensunwerten Menschen“. Die Aufführung schafft dabei stets die Verbindung zum eigenen Verhalten, denn über allem steht die Frage: Was für ein Mensch willst Du sein?

Projekt mit Potential für die Zukunft und gegen das Vergessen

Was als Projekt vor fünf Jahren begann hat sich weiterentwickelt. Durch die erforderlichen Recherchen wurde die Geschichte für die Schüler lebendig – das fasziniert. Dazu kam die Nachfrage nach weiteren Aufführungen und so lief das Projekt weiter. Die Schüler der ersten Stunde haben mittlerweile ihren Abschluss, aber das Theaterprojekt wird von den Nachfolgern mit der gleichen Begeisterung weitergeführt. Die Projektgruppe ist seit 2016 mit der Aufführung immer wieder auf Tournee und zu Gast auf Festivals. „Das Theaterstück bewegt und gibt den Schülern eine Plattform Geschichte zu erleben und gleichzeitig daraus zu lernen“, fasst der betreuende Lehrer Thomas Ritter zusammen. Insgesamt wurde die Spurensuche-Performance über 80 Mal gezeigt. Für 2020 und 2021 sind weitere Termine geplant.

Es ist nicht leicht, sich dem Thema zu nähern. Schließlich geht es um die Geschichte der eigenen Heimat. „Vieles, was damals geschah ist unfassbar und kaum zu begreifen, daher bewundere ich auch den Mut der Schüler, die sich offensiv damit auseinandersetzen,“ sagt Martina Bartl von der Kreissparkasse.

Termine und Buchungen


Die Bürgerstiftung Haar und die Weiße Rose-Stiftung München sind Träger, die Stiftung der Kreissparkasse für den Landkreis München großzügiger Unterstützer des Projekts.

Ob die in den nächsten Monaten angesetzten Aufführungen stattfinden können, ist aus bekannten Gründen momentan ungewiss. Zumindest noch geplant ist eine Aufführung am 28.6.2020 um 18:00 Uhr im Rahmen des SOMMA-Festivals. Bei Interesse informieren wir Sie gerne über zukünftige Termine. Hierzu einfach eine Mail an tritter@emg-haar.de

Das Projekt ist aber nach wie vor langfristig buchbar.

Aufgrund der Förderungen fallen für interessierte Veranstalter nur geringe Kosten an. Darüber hinaus kann das Stück an unterschiedliche Raumsituationen angepasst werden, vom Theatersaal bis zum Konferenzraum ist alles möglich. Weitere Informationen und Kontakte zu Spurensuche finden Sie unter:

theater.emg-haar.de.