Inflationsrate, Preise, Preisauftrieb, Inflation, Euro

Angesichts des derzeitigen deutlichen Anstiegs der Inflationsraten wie auch der Inflationserwartungen lautet in diesen Tagen die Gretchenfrage: Ist dies nur ein vorübergehendes Phänomen, oder droht im Zuge der stark expansiven Geld- und Finanzpolitik die Gefahr von längerfristig spürbar höheren Inflationsraten? Die Sorgen sind berechtigt. Denn selbst wenn sich bereits im kommenden Jahr das Inflationsthema deutlich entspannen sollte, kann doch für die längere Zukunft keine Entwarnung gegeben werden. Es wird Zeit, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) die Boxhandschuhe im Kampf gegen schleichend höhere Inflationsraten anzieht.

Pandemie wirbelt die Wirtschaft durcheinander

Kurzfristig ist der Alarmismus über die hohen Inflationsraten übertrieben: Es ist die Corona-Krise, die vieles – nicht nur die Inflation – durcheinandergewirbelt hat und die für zeitlich befristete stärkere Preisanstiege sorgt. So verzeichnen die Energiepreise zurzeit im Vorjahresvergleich ein zweistelliges Plus. Sie waren vor einem Jahr wegen des coronabedingten Stillstands ja regelrecht eingebrochen. Jetzt sind sie wieder auf ‚normalen‘ Niveaus und die betreffenden Jahresveränderungsraten deshalb im Höhenflug.

Speziell in Deutschland kommen noch zwei Themen dazu: Die zwischenzeitliche Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020 sorgt hierzulande im Jahr 2021 für weitere Inflationssprünge, und auch die CO2-Steuer hat zum Jahresbeginn die Preise für Treibstoff und Heizung kräftig steigen lassen. Preisauftrieb kommt weltweit zudem von den kurzzeitigen logistischen Engpässen im Welthandel. Es ist zwar recht einfach, eine Wirtschaft (per Lockdown) herunterzufahren.

Eine ungleich komplexere Aufgabe ist es dagegen, die Volkswirtschaften wieder hochzufahren. Viele der in diesem Zusammenhang auftretenden Sondereffekte werden bis Ende 2022 verschwinden. Dann dürften die Inflationsraten insbesondere in Europa erneut deutlich sinken.

Stärkerer Preisauftrieb eine längerfristige Gefahr

Und selbst die typischen Zweitrundeneffekte, die man nach solchen Preiswellen fürchtet, sind noch nicht in Sicht. Die bisherigen Abschlüsse in Deutschland sind (noch) keine Inflationstreiber und in anderen europäischen Ländern ist die alte automatische Preis-Lohn-Indexierung zwischenzeitlich durch die Aussichten auf einen stabilen Euro abgeschafft worden. Aber hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, daher werden die Entwicklung bei den Löhnen im kommenden Jahr eine wichtige Weichenstellung auch für die künftige Inflation darstellen.

Gefahren lauern auch in der längeren Frist: langfristige Trends wie die Alterung und Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung sowie die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft werden allmählich zusätzlichen Druck auf den Inflationskessel bringen. Gegenwärtige und künftige Inflationsgefahren sollte die Europäische Zentralbank bereits jetzt durch mehr Wachsamkeit thematisieren. Für die Sparer sind hohe und schwankende Inflationsraten genauso Gift wie zu niedrige Zinsen.

Beide Probleme können abgemildert werden, wenn die langfristig investierbaren Vermögensbestandteile nicht mehr ausschließlich auf dem Sparkonto liegen, sondern vermehrt in die Wirtschaft fließen, etwa durch Aktieninvestments.

Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank
Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank